21.12.2008

48. Weltbildungsministerkonferenz der UNESCO

Bericht von der Weltbildungsministerkonferenz „Inclusive Education: The Way of the Future“

Dieser Bericht ist auch in der Zeitschrift für Heilpädagogik 2/2009 erschienen.

Vom 25.-28. November 2008 trafen sich Bildungsminister/-innen, Staatssekretär/-innen sowie Vertreter/-innen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Genf, um sich zum Thema Inklusion auszutauschen. Dem vorgegangen war eine Reihe von regionalen Workshops.

Deutschland wurde u.a. durch die Ministerin für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein Frau Erdsiek-Rave für die Kultusministerkonferenz sowie Frau Scharsich vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung vertreten.
Dank der finanziellen Unterstützung der Heidehof-Stiftung konnte ich ebenfalls daran teilnehmen.

Inhalte

In vier verschieden Workshops wurden folgende Themen bearbeitet:

  1. Inklusive Bildung: Konzepte, Umfang und Inhalt (zur Erweiterung des Verständnisses der Theorie und der Praxis der inklusiven Bildung)
  2. Inklusive Bildung: Politik (zur Demonstration der Rolle der Regierungen bei der Entwicklung und der Umsetzung der Politik im Bereich der inklusiven Bildung)
  3. Inklusive Bildung: Systeme, Verbindungen und Übergänge (zur Schaffung von Bildungssystemen, die Möglichkeiten für lebenslanges Lernen bieten)
  4. Inklusive Bildung: Schüler/-innen und Lehrer/-innen (zur Förderung einer Lernumgebung, in der Lehrer/-innen ausgestattet sind, um unterschiedlichen Erwartungen und Bedürfnissen der Lernenden gerecht zu werden)

Im Gegensatz zur Konferenz im Rahmen der französischen EU-Ratspräsidentschaft vier Wochen zuvor, bei der es lediglich um Schüler/-innen mit Beeinträchtigung(en) ging, wurde in Genf deutlich gemacht, dass auch andere Dimensionen des Ausschlusses von lebenslangem Lernen („from early childhood onwards") berücksichtigt werden sollen.

Auch andere? Dass Inklusion auch auf internationaler Ebene leider immer noch nicht wirklich alle berücksichtigt, wurde am Thema Ausgrenzung auf Grund der sexuellen Identität deutlich. Vertreter von G A L E thematisierten dies im Rahmen eines Workshops und eines Empfangs in der ständigen Vertretung der Niederlande. Dennoch fand diese Dimension von Vielfalt aber keinen Eingang in die Empfehlungen der Konferenz. Daher sei an dieser Stelle auf das Netzwerk „G A L E The Global Alliance for LGBT education “ verwiesen, die sich dem Thema widmen.

Neben den Diskussionen in den Workshops und den entsprechenden Zusammenfassungen im Plenum gab es auch weitere übergreifende Vorträge. Prof. Mel Ainscow verdeutlichte beispielsweise in seinem Vortrag zum Thema „Inclusive Education: from Vision to Practice" unterschiedliche Phasen eines inklusiven Schulsystems:

Access, Participation und Achievement

Den Zugang zur allgemeinen Schule am Wohnort für alle Kinder, die Wertschätzung und Teilhabe aller Kinder innerhalb der Gemeinschaft der Schule und schließlich das Erreichen der individuellen Bildungsziele für jedes einzelne Kind.

Deutlich wurde, dass die Bildungssysteme in den verschiedenen Ländern diesbezüglich mit unterschiedlichen Phasen beschäftigt sind. Am Beispiel Deutschland ist jedoch sichtbar, dass auch regional sehr starke Unterschiede bestehen können. Während in Baden-Württemberg eher die Frage des Zugangs zu diskutieren ist, steht in anderen Bundesländern vielmehr die Frage die Leistung für jedes einzelne Kind auf der Agenda.

Cover des Efa-Reports

Cover des Efa-Reports

Education for all – Bericht

Im Rahmen der Tagung wurde auch der EfA-Monitoring Report vorgestellt, der einen Überblick über die Situation in der Welt bietet. Er steht unter http://www.unesco.org/en/education/efareport als ausführliche und kurze Version in Englisch sowie den anderen UN-Sprachen zum Download bereit.

Empfehlungen der 48. International Conference on Education

Ausgehend von den Workshops wurde zum Abschluss eine Liste von 24 Empfehlungen der Weltbildungsministerkonferenz verabschiedet, von denen einige kurz dargestellt werden sollen:

  1. Inklusive Bildung als kontinuierlichen Prozess verstehen, der darauf abzielt, qualitativ hochwertige Bildung für alle sicherzustellen und dabei die Vielfalt und die unterschiedlichen Bedürfnisse, Fähigkeiten, Charakteristiken und Erwartungen der Lernenden zu respektieren, sowie alle Formen von Diskriminierung zu beseitigen
  2. sprachliche und kulturelle Vielfalt als wertvolle Ressource sehen und die Verwendung der Muttersprache in den ersten Jahren im Bildungssystem zu forcieren
  3. die Förderung von Schulkulturen und -umgebungen, die kinderfreundlich, gesundheitsfördernd, beschützend und geschlechtersensibel sind, effektives Lernen unterstützen und alle Kinder einbeziehen
  4. Verbindung zwischen Schule, Elternhaus und Gemeinde stärken, um Teilhabe und Zusammenarbeit am Bildungsprozess zu ermöglichen
  5. Verstärkung der Bemühungen zur Verringerung von Analphabetismus zur Unterstützung von inklusiver Bildung, ausgehend davon, dass die Lesekompetenz der Eltern wichtig für die Bildung ihrer Kinder ist
  6. Verbesserungen des Status der Lehrkräfte und ihrer Arbeitsbedingungen
  7. Aus-, Fort- und Weiterbildung für Lehrer/-innen, die sie auf die Arbeit mit heterogenen Lerngruppen vorbereitet und sowie die Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien
  8. Entwicklung von inklusiven Konzepten in der frühkindlichen Bildung

Die endgültige Version steht auf der Seite des IBE zum Download  zur Verfügung: http://www.ibe.unesco.org/fileadmin/user_upload/Policy_Dialogue/48th_ICE/CONFINTED_48-5_Conclusions_english.pdf

Die deutsche Übersetzung wird aller Vorraussicht nach von der Deutschen Unesco-Kommission erstellt.

Über die offizielle Erklärung hinaus verfassten zwölf vertretene NGO-Organisationen eine gemeinsame Erklärung zur Notwendigkeit der Einbeziehung von Ausgrenzung betroffenen Minderheiten in solche Tagungen und der Kooperation mit den Institutionen der Zivilgesellschaft. Bedauert wurde vor allem, dass für die NGOs kein Raum bestand, die von verschiedenen Delegierten eingeforderten Praxisbeispiele einzubringen und dass es für die NGOs nicht möglich war, an den Empfehlungen mitzuarbeiten.

Persönliches Fazit

Die Empfehlungen zeigen einmal mehr, dass es bei Inklusion eben nicht nur um die Integration einzelner Gruppen geht, sondern um einen weitergehenden Ansatz einer Bildung und Erziehung für alle .

Es gilt nun, sich dafür einzusetzen, dass die Empfehlungen der 48. International Conference on Education auch in Deutschland in den einzelnen Bundesländern ankommen und entsprechend umgesetzt werden.

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